Micromanagement – Mittelstands- oder Konzernproblem?
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Micromanagement: Wie ständige Überwachung die Produktivität senkt
Jede Mail wird vom Vorgesetzten abgesegnet. Jedes kleine Detail dreimal abgestimmt. Jede noch so kleine Aufgabe kontrolliert. Micromanagement ist in vielen Unternehmen an der Tagesordnung. Doch wer seinem Team keine Verantwortung übergibt und mit Argusaugen über jeden Arbeitsschritt wacht, senkt die Produktivität und vergrault langfristig Mitarbeitende. Wir erklären, woran du Micromanagement erkennst und wie du es vermeidest.
Micromanagement Definition: So äußert sich der Führungsstil
Was ist Micromanagement? Der Begriff beschreibt einen Führungsstil, bei dem
Vorgesetzte jedes noch so kleine Detail überprüfen. Mitarbeitende werden im schlimmsten Fall bei jedem Arbeitsschritt überwacht. Jede Mail, jeder Anruf und jede Entscheidung, die sie treffen, müssen mit dem Chef oder der Chefin abgestimmt werden. Die Strukturen, die die Teamleitung vorgibt, sind kleinteilig und jeder Prozessschritt ist durchgetaktet. Micromanagement kann überall auftreten, sowohl in großen Unternehmen als auch in kleinen und mittelständischen Betrieben.
Micromanagement Beispiele – so sieht es im Alltag aus:
· Die Führungskraft will jedes Detail prüfen, bevor Mitarbeitende weitermachen können, und blockiert den Fortschritt eines Projekts.
· Die Vorgaben sind selbst für einfache Aufgaben so detailliert und kleinteilig, dass Mitarbeitende keinen Spielraum für Kreativität mehr haben.
· Es werden ständig Status-Updates verlangt, oftmals auch täglich.
· Die Führungskraft übernimmt Aufgaben, die das Team erledigen kann und erledigt ihre eigene Arbeit dafür in Überstunden.
· Jede Kommunikation mit Kundschaft, anderen Teams, Vorgesetzten oder geschäftlichen Kontakten wird von der Führungskraft gecheckt.
· Die Führungskraft mischt sich in Entscheidungen und Prozesse ein, die das Team betreffen und entscheidet – auch wenn ihr die Kompetenz oder wichtige Informationen dafür fehlen.
· Aufgaben werden immer wieder abgelehnt oder überarbeitet, weil sie dem Perfektionismus der Führungskraft nicht gerecht werden. Hier begibt sich der oder die Vorgesetzte regelrecht auf die Suche nach Fehlern.
· Kontrolle der Arbeits- und Pausenzeiten sind ebenfalls an der Tagesordnung – auch in Strukturen, in denen Mitarbeitende eigentlich freier arbeiten können und dürfen.
· Generell gibt es einen starren Regelkatalog, nach dem sich Mitarbeitende richten müssen –selbst denken und an Zielen erarbeiten ist hier nicht erwünscht.
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Spiegel der eigenen Unsicherheit: Das sind die Gründe für Micromanagement
Auf Vorgesetzten lastet viel Druck. Oftmals wird das Verhalten aber auch durch mangelndes Vertrauen oder Versagensängste hervorgerufen. Diese Gründe kann Micromanagement haben:
· Angst vor Kontrollverlust: Besonders wenn Mitarbeitende sehr selbstständig arbeiten oder viel im Homeoffice sind, ist es schwer, ihre Tätigkeiten nachzuvollziehen. Den Kontrollverlust will die Führungskraft durch die Überprüfung jedes Details ausgleichen. Aufgaben zu delegieren, fällt dementsprechend schwer.
· Versagensängste: Der Druck von außen und auch der hohe Anspruch an die eigene Leistung sorgen dafür, dass sich Vorgesetzte mit Versagensängsten plagen.
· Mangelndes Selbstvertrauen: Egal, wie kompetent die Führungskraft ist, wenn sie nur ein schwaches Selbstvertrauen hat, kontrolliert sie lieber alles dreimal.
· Fehlendes Vertrauen ins Team: Das Team ist kompetent und kann Aufgaben selbst übernehmen. Sieht die Führungskraft das nicht so, folgt Micromanagement.
· Selbstüberschätzung: Manche Führungskräfte überschätzen ihre Kompetenz. Der Ansatz lautet nicht selten: „Bevor die anderen es falsch machen, mache ich es lieber selbst”. Ein Trugschluss, denn eine Person kann gar nicht jedes nötige Wissen in sich vereinen – egal, wie viel Karriere sie bereits gemacht hat.
· Fehlende Fehlerkultur: Aus Fehlern lernt das Team. Wenn es aber keine Fehlerkultur gibt, sehen Vorgesetzte Fehler als Problem und nicht als Chance. Das Ergebnis: Strafen für diejenigen, die Fehler machen und eine zunehmende Überwachung.
Remote Work vs. Micromanagement: Der Einfluss von Corona
Der plötzliche Kontrollverlust durch Homeoffice und Remote Work erzeugte in der Pandemie Unsicherheiten. Führungskräfte, die es gewohnt waren, ihre Teams täglich im Büro zu sehen, hatten plötzlich weniger das Gefühl, die Arbeit ihrer Mitarbeitenden zu überblicken. Der Glaube, Mitarbeitende seien im Büro effektiver, wurde jedoch durch eine Studie der Katz Graduate School of Business widerlegt. Die 2024 erschienene Untersuchung zeigte, dass die Wiedereinführung der Büropflicht weder den Unternehmenswert noch den finanziellen Erfolg steigerte. Stattdessen sinkt die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Es gibt daher keinen Grund für Micromanagement im Homeoffice.
Quiet Quitting, Unzufriedenheit, Boreout: Die Auswirkungen von Micromanagement
Ganz unbewusst entscheiden sich Unternehmen für Führungskräfte, die Micromanagement betreiben. Das liegt vor allem daran, dass diese Personen sehr strukturiert wirken. Dem Team tun Unternehmen damit aber keinen Gefallen.
Micromanagement Psychologie – das sind die Auswirkungen auf Psyche und Arbeitsmoral:
· Verlust der Motivation: Mitarbeitende fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt und nehmen den Vertrauensverlust der Führungskraft wahr. Durch starre Vorgaben können sie nicht mehr selbstständig arbeiten oder ihre Kreativität ausleben. Sie verlieren den Spaß an ihrem Job und damit auch die Motivation. Das sogenannte Boreout – eine psychische Belastung durch Langeweile und Unterforderung – kann die Folge sein.
· Sinkende Produktivität: Ist die Motivation weg, können Mitarbeitende nicht mehr so produktiv arbeiten wie zuvor. Zusätzlich hält die Führungskraft mit vielen Abstimmungen und Feedbackschleifen Prozesse auf.
· Auswirkungen auf die mentale Gesundheit: Mitarbeitende erleben durch den steigenden Druck unterschiedliche psychische Belastungen. Während einige vor allem Frust empfinden, kann es bei anderen sein, dass sie ihre Leistung und Expertise hinterfragen. Dadurch können sie sogar in depressive Phasen rutschen. Versuchen sie, den überzogenen Ansprüchen der Führungskraft gerecht zu werden, kann das zum Burnout führen.
· Steigende Fehlzeiten und Fluktuation: Mitarbeitende fühlen sich durch das Verhalten der Führungskraft immer mehr belastet – so kann es zu deutlich mehr Krankheitstagen kommen. Wer sich nicht krankmeldet, betreibt vielleicht Quiet Quitting – hat also innerlich bereits gekündigt und macht nur noch Dienst nach Vorschrift. Im schlimmsten Fall verlieren Unternehmen gute Mitarbeitende.
· Bullying und Bossing: Sowohl die Führungskraft als auch das Team können in diesen Strukturen Formen von Mobbing erleben.
Micromanagement ist für das gesamte Team ein Problem – auch für die Führungskraft selbst. Denn sie übernimmt einen Großteil der Arbeit und wird immer unzufriedener mit der Leistung ihrer Teammitglieder. Dabei steigt das Gefühl, dass das Team nichts allein erarbeiten kann. Überstunden, Frustration und noch mehr Micromanagement sind die Folge. Die Führungskraft befindet sich in einem Teufelskreis.
Daten aus der Wissenschaft: So wirkt sich Micromanagement auf Führungskraft und Team aus
In einer US-amerikanischen Studie haben sich Toyia Caise von der Capella University und Janice Tucker von der Columbia Southern University mit den Auswirkungen von Micromanagement befasst. Ihr Augenmerk lag vor allem auf Umgebungen, in denen remote gearbeitet wird. Ziel war es, herauszufinden, ob die negativen Effekte bestätigt werden können. Sie kamen zu dem Schluss, dass Micromanagement vor allem das Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften verringert. Das mindert die Motivation und beeinträchtigt die Teamdynamik. Die Studie bestätigt außerdem, dass ein Verlust von Produktivität und eine höhere Fluktuation die Folgen sind. Der Grund ist laut den Wissenschaftlerinnen, dass Mitarbeitende die fehlende Autonomie als demotivierend empfinden. Zum gleichen Schluss kam Dr. Giselle Castillo von der University of Phoenix, Southern New Hampshire University.
Spannend ist der Blick, den Führungskräfte, die Micromanagement betreiben, auf sich selbst haben. In einer Studie von Namrata Mishra und ihren Kollegen der ICFAI University Jharkhand wurde erstmals der Blick derer beleuchtet, die zu diesem Führungsstil neigen. Das Ergebnis: Sie haben das Gefühl, dass sie ihre Mitarbeitenden durch ihr Verhalten viel besser kennen als andere Teamleads.
Makromanagement und agiles Arbeiten: Das Gegenteil kleinteiliger Führung
Hat eine Führungskraft das große Ganze im Blick und verliert sich nicht in Details, praktiziert sie Makromanagement. Sie denkt im Sinne des ganzen Unternehmens und überträgt Verantwortung an ihr Team. Mitarbeitende kontrollieren ihre Aufgaben und Prozesse selbstständig, gestalten ihren Arbeitsalltag frei und arbeiten mit hoher Autonomie. Dieser Führungsstil ist gesünder für beide Seiten, erfordert jedoch gegenseitiges Vertrauen und gute Selbstorganisation der Mitarbeitenden. Trotz hoher Autonomie sollte die Führungskraft ihrem Team dennoch bei Bedarf Unterstützung bieten.
Auch agile Arbeitsweisen stellen einen Gegenentwurf zum Micromanagement dar. Sie erfordern ebenfalls ein hohes Maß an Selbstständigkeit im Team, damit Unternehmen sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen können. Dass Mitarbeitende hier Verantwortung übernehmen, Prozesse mitgestalten und eigene Ideen einbringen, ist essenziell.
Nicht immer schlecht: In diesen Situationen ergibt Micromanagement Sinn
Die negativen Auswirkungen von dauerhaftem Micromanagement für Teams und Unternehmen sind nicht zu unterschätzen. Es gibt aber auch Situationen, in denen dieser Führungsstil genau der richtige Ansatz sein kann. Gerade bei der Einarbeitung neuer Teammitglieder oder der Arbeit mit Auszubildenden in der frühen Phase ihrer Ausbildung ist stärkere Betreuung nötig. Dabei gilt allerdings, dass das Micromanagement ausschließlich in diesem Rahmen eingesetzt wird und sich nicht auf das ganze Team bezieht. Die Einführung neuer Strategien und Prozesse kann zeitweises Micromanagement ebenso notwendig machen – es sollte dennoch die Ausnahme bleiben.
Steve Jobs: Mit Micromanagement zum Erfolg?
Kann enge Führung auch zu mehr Leistung und besseren Zahlen führen? Wer diese Frage stellt, wird sehr schnell auf Apple und Steve Jobs stoßen. Jobs wurde in der Öffentlichkeit lange für seinen Führungsstil kritisiert. Er galt als herrisch, kontrollierte jeden Entwicklungsschritt von der Produktentwicklung, über das Design, bis hin zur Vermarktung. Damit trieb Jobs viele seiner Mitarbeitenden regelrecht in den Wahnsinn – aber Apple zum Erfolg. Oder doch nicht? Tatsächlich musste Jobs mit seiner Art bei Apple einige Misserfolge hinnehmen und wurde aufgrund seines Micromanagements aus der Macintosh-Entwicklung gedrängt. Apples Erfolg ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Effekt seines kleinteiligen Führungsstils.
Hilfe, meine Führungskraft betreibt Micromanagement: Das können Angestellte tun
Wenn es um Probleme mit Vorgesetzten geht, scheuen sich viele Angestellte, diese zu äußern und fragen sich, an wen sie sich wenden können. Im ersten Schritt sollten sie vor allem das Gespräch zur Führungskraft selbst suchen und Feedback geben. Ist das keine Option, führt der nächste Gang zur Personalabteilung. Die Mitarbeitenden aus dem Bereich Human Resources sollten hier aktiv entgegenwirken können, indem sie Coachings anbieten oder Konzepte für die Fehler- und Feedbackkultur des Unternehmens erarbeiten.
Es gibt schon im Vorhinein Möglichkeiten, um Micromanagement zu vermeiden – und Mitarbeitende können selbst aktiv werden. So hilft es vor allem, proaktiv mit der Führungskraft ins Gespräch zu gehen und mit den eigenen Arbeitsergebnissen transparent umzugehen. Wer seine Projekte, Statusupdates und Fortschritte sicher dokumentiert, kann die Führungskraft beruhigen. Hat sie das Gefühl, dass alle Arbeitsschritte organisiert und nachvollziehbar sind, sorgt das für mehr Sicherheit.
Rein rechtlich gesehen, muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen. Das ist nicht mehr gegeben, wenn Mitarbeitende durch das Verhalten der Führungskraft einer hohen psychischen Belastung ausgesetzt sind. Spätestens wenn es ihnen an die psychische Substanz geht, sollten Angestellte tätig werden und HR oder eine höhere Führungsebene einbeziehen.
Fair führen: So vermeidest du Micromanagement
Wenn du als Führungskraft vermeiden möchtest, dass du dein Team mit Micromanagement führst, können diese Tipps dabei helfen:
· Baue Vertrauen auf: Deine Mitarbeitenden haben ihre Expertise und auf die kannst du vertrauen. Delegiere Aufgaben mit klaren Anweisungen und konzentriere dich auf die Ergebnisse, anstatt jeden einzelnen Prozessschritt zu überwachen.
· Kommunikation verbessern: Biete regelmäßige Möglichkeiten für Feedback und definiere klar, welche Ziele deine Mitarbeitenden erreichen sollen. Stelle sicher, dass sie über das Wissen und die Informationen verfügen, die sie für ihre Arbeit benötigen.
· Aufgabenverteilung: Mach dir bewusst, welche Arbeit du als Führungskraft zu erledigen hast und konzentriere dich darauf. Kleinere Aufgaben zu erledigen, frisst Zeit, die du für deine Ziele benötigst.
· Autonomie deines Teams: Die Eigenverantwortung deiner Mitarbeitenden zu fördern, bringt langfristig dem ganzen Team etwas. Ermutige sie, Ideen einzubringen, Prozesse anzupassen und neue Impulse zu setzen.
· Reflektiere und lerne: Versuche herauszufinden, in welchen Situationen du zu Micromanagement neigst und hinterfrage diesen Impuls. Finde heraus, woran es liegt, und hole dir Rückmeldung deines Teams dazu ein.
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